Politik

Haushaltsrede 2017 im Kreistag Paderborn

 

Haushaltsrede am 18.12.2017  
 
Sehr geehrter Herr Landrat, geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, ­­­
 
 
Als sich meine Fraktion ‚DIELINKE./Piraten‘ nach unserem Gespräch mit dem Kämmerer am 13. November daranmachte, unseren Beitrag zu der diesjährigen Haushaltsdebatte zu konzipieren, war die Versuchung groß, einfach die Haushaltsrede aus dem vorigen Jahr hier erneut vorzutragen. So, wie sich an der Weihnachtsgeschichte alle Jahre wieder nichts ändert, so muss man wohl auch den Haushaltsplan für das Jahr 2018 im Vergleich zum  ablaufenden Jahr 2017 interpretieren. Wir schrieben der Verwaltung im vorigen Jahr vier Thesen zur Rolle der Kommunen im Zeitalter der Digitalisierung ins Stammbuch: Zitat
(1) Digitalisierung muss als kommunale Pflichtaufgabe definiert
werden. Digitale Bürger und Unternehmen verlangen eine
digitale Verwaltung – auch in der kleinsten Einheit.
(2) Digitalisierung ist kein Selbstläufer – auch nicht bei der
jüngeren Generation.
(3) Jede Kommune braucht eine eigene Digitalisierungsstrategie,
um den Wandel vor Ort zu gestalten.
(4) Tunneldenken war gestern. Die digitale Verwaltung von morgen
schaffen wir nur im Verbund und in überregionalen Kooperationen. 
Zitatende
Was ist in dieser Hinsicht passiert im Haushaltsjahr 2017? Die Stadt Paderborn hat sich – leider vergeblich – um die Digitale Stadt 2017 bei der Ausschreibung des Städte- und Gemeindebundes und des Bitkom beworben, gewonnen hat Darmstadt. Der Kreis hat die Veranstaltung „Wir gestalten unser MORGEN Faszination 4.0“ im Rahmen des Programms OWL 4.0 und dem Spitzencluster it’s OWL im September mitgestaltet. Der Landrat und der Bürgermeister waren zusammen mit dem Wirtschaftsminister Pinkwart in Estland, dem in Digitalisierung der Verwaltungsprozesse führenden Land der EU. Danach stellt Prof. Pinkwart im Oktober die e-Government-Pläne der Landesregierung vor, wonach OWL die erste digitale Modellregion in NRW mit Paderborn als Leitkommune werden soll. Das geht doch im Sinne der genannten vier Thesen eigentlich alles in die richtige Richtung, könnte man meinen, wenn dieser Kreistag denn proaktiv mitwirken würde. Stattdessen wurden Anträge meiner Fraktion, z.B. alle kreisgenutzten oder kreiseigenen Gebäude mit kostenlosem WLAN für die Bürger auszustatten oder einen Ausschuss Digitale Zukunft des Kreises Paderborn mit in der Sache kompetenten Bürgern einzurichten, von allen Fraktionen bei Enthaltung der FDP, (schließlich konnten die Kollegen ja nicht gegen den ausgewiesenen IT-Experten und FDP-Vorsitzenden ThermoLindner stimmen), abgelehnt.  
Der Haushaltsplan 2018 ist im Wesentlichen eine Fortschreibung des Planes 2017. Es ist nicht zu erkennen, dass die Verwaltung überhaupt einen Plan zur Digitalisierung hat. Legt man den von der CDU Fraktion modifizierten Antrag der Drucksache Nr. 16.0871 als Beschlusslage nach der Sitzung des Kreis-und Finanzausschusses zu Grunde, dann enthält der Haushaltsplan für 2018 die vorsorgliche Einstellung möglicher Ausgaben zur Digitalisierung in Höhe von € 3.022.300,00 konsumtiv, sowie 350.000 € investiv. Beide Posten sind mit einem Sperrvermerk versehen, weil die Höhe einer möglichen Förderung erst mit dem Haushalt 2018 für das Land NRW im Januar durch den Landtag beschlossen wird.
 Den Beschlussvorschlag der CDU Fraktion vom 8. Dezember unter TOP 5 des Kreis-und Finanzausschusses DS-NR 16.0871 am 11.12.2017 kann man unter diesem Aspekt nur als pharisäerhaft bezeichnen. Die Initiative des Landrats wird begrüßt, der Kreistag ermächtigt den Landrat mitzuwirken, der Kreistag unterstützt eine Stiftungsprofessur, deren Inhalte dem Kreis-und Finanzausschuss vorzulegen sind und – als Höhepunkt – Einrichtung eines 7köpfigen Arbeitskreises. 
 
Das Entscheidungsgremium im Kreis Paderborn ist der Kreistag. Wir haben als gewählte Abgeordnete die Interessen der Bürger vor allem in Hinblick auf die Zukunft zu vertreten und der Verwaltung die Umsetzung aufzuerlegen. Dazu müssen wir die Möglichkeiten der technologischen Entwicklung kennen UND als Chancen begreifen und die Verwaltungsprozesse einschließlich Ausbildung der Schüler und Fortbildung unserer Lehrer an unseren Schulen neu denken. Methoden, Verfahren und Prozesse, ja sogar Gesetze und Verwaltungsvorschriften des vorigen Jahrhunderts müssen an die Möglichkeiten der Digitalisierung angepasst werden. Die technologische Entwicklung erlaubt heute völlig neue Mobilitätskonzepte im öffentlichen Nahverkehr, sie ermöglicht, wie bereits in Berlin nachgewiesen, eine Abkehr von althergebrachter Müllentsorgung, wenn Abfallbehälter mit Sensorik ausgestattet, sich melden, wenn sie voll sind. Das schont die Umwelt, spart fossile Brennstoffe und vermeidet Lärm.
Fortschritt bedeutet Veränderung, meine Damen und Herren, und da unterscheidet der amerikanische Astronaut Jim Lovell drei Kategorien von Menschen, nämlich Menschen, die Dinge verändern, Menschen die zuschauen, wie sich Dinge verändern und Menschen, die sich wundern, was sich verändert hat. Wenn ich sehe, dass dieser Kreistag es noch nicht einmal schafft, seine Arbeit mit digitalen Medien zu leisten, weil ein Teil seiner Mitglieder sich weigert, mit dem Computer umzugehen, dann gehört dieser Kreistag mit Sicherheit nicht in die Kategorie derjenigen, die etwas verändern wollen. Dieser Kreistag schaut lieber zu, vielleicht wundern sich auch einige Mitglieder, was so in anderen Kommunen schon alles passiert. Schauen Sie nur nach Delbrück, wo der Bürgermeister zusammen mit der Deutschen Glasfaser mit aller Kraft versucht, seine Stadt und die 10 Ortsteile mit Glasfaser bis in die Wohnung zu versorgen, damit dort schnelles Internet eben wirklich schnell wird. 
 
Nehmen wir stattdessen die erwähnte Beschlussvorlage der Verwaltung DS-NR 16.0871 und den Vorschlag der CDU Fraktion, dann wird der Eindruck, dass hier nicht gestaltet, sondern zugeschaut werden soll sehr deutlich. Keine Beauftragung der Verwaltung in Bezug auf Erstellung eines mittelfristigen Digitalisierungskonzeptes, wie von uns mehrfach gefordert, keine Anforderungen an die Aufgabenstellung der Stiftungsprofessur, keine Ideen, was die Stelleinhaberin oder der Stelleninhaber überhaupt erforschen bzw. lehren soll! 
 
Bei diesem Beschlussvorschlag der Verwaltung und der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, meine Damen und Herren, fällt mir nur noch ein Satz des Kabarettisten Wolfgang Neuss ein: „Es genügt nicht nur, keine Ideen zu haben, man muss auch noch unfähig sein, sie umzusetzen“. 
Was dem Ganzen dann noch ein Geschmäckle verleiht, meine Damen und Herren von der CDU, ist Ihre Unverfrorenheit, 14 Tage nach Ablehnung unseres Antrages auf Einsetzung eines Ausschusses zur Digitalisierung mit fachkompetenten, sachkundigen Bürgern, nun ihrerseits einen Arbeitskreis zur Begleitung des Digitalisierungsprozesses zu fordern. Und wieder völlig ohne eigene Ideen, wenigstens die Kompetenz der Mitglieder eines solchen Arbeitskreises zumindest ein wenig zu beschreiben. Wollen Sie wirklich aus der Mitte der Fraktionen dieses Kreistages 7 Personen benennen, die diesen Arbeitskreis besetzen sollen? Ich glaube nicht, dass wir die  Kompetenz in unseren Reihen finden. Abgesehen davon, dass Sie offensichtlich beabsichtigen, dass die drei kleinen Fraktionen dann wieder nur einen Sitz bekommen, um den sie dann Stöckchen ziehen sollen, sprich zwei Fraktionen bleiben außen vor. Auch dieser Vorschlag von Ihnen zeigt, dass es Ihnen überhaupt nicht um die Sache geht, denn dann hätten sie konkrete Inhalte gefordert. Ihr Vorschlag zeigt, dass Sie nicht begriffen haben, dass Digitalisierung nicht die Fähigkeit zur Bedienung eines PC oder Tablets bedeutet, sondern das Entwickeln völlig neuer Arbeitsabläufe, Dienstleistungen und Produkte in Verwaltung und Wirtschaft, der kostenlose Zugang auf nicht personenbezogene Daten, Stichwort Open Data für start-ups oder einfach kreative Bürger. 
 Aber immerhin: Sie stellen ein Volumen von rund 3 Mio. € konsumtiv und 350.000 € investiv für das Jahr 2018 in den Haushalt, die sie allerdings mit Sperrvermerken versehen wollen, denn Sie erwarten eine 50%ige Landesförderung. Ist die Schlussfolgerung erlaubt, dass bei ausbleibender oder geringerer Landesförderung, kreiseigene Aktivitäten in Sachen Digitalisierung mehr oder weniger den Bach runtergehen? Wo, sehr geehrter Herr Landrat, verehrte Kollegen von der Mehrheitsfraktion, ist Ihr Plan B für die digitale Zukunft des Kreises? 
 
2017 – ein weiteres Jahr der Ablehnungen, Verweisungen und Änderungen. 
Freifunk, Arbeitskreis Nahverkehr/Mobilität, kreisweites Sozialticket, Ausschuss bzw.
Arbeitskreis zur digitalen Zukunft, Streaming der Plenumssitzungen ? (abwarten), mehr Kontrolle bei Tieraufzucht und Haltung. Freies WLAN in Kreis-eigenen Gebäuden….
Es heißt, wir arbeiten hier  für die Menschen im Kreis Paderborn – was wirklich geschieht: Jede Fraktion hat ihr Klientel im Blick (Wählerstimmen), aber vor allem die eigene Machtposition. 
Da ist die CDU ganz vorn, 
zur Not auch durch Absprache mit anderer Fraktionen, um die störende Linke oder Piraten „Gibt es die noch“ aus den Entscheidungen rauszukatapultieren. O-Ton des Fraktionsvorsitzenden: „Frau Martiny, Sie glauben doch nicht, dass 60 (- 3 natürlich) Kreistagsmitglieder Ihrem Antrag zustimmen werden?“
Wohltätige Organisationen werden mehr oder weniger sparsamst abgespeist, die RWE-Aktie wird gehalten, der Flughafen Paderborn weiter gestützt, Das Projekt „Wege durch das Land“ gerettet, (alles Projekte, für die man Verständnis haben könnte – wenn nicht soziale dringende Aufgaben vernachlässigt würden. 
Ich zähle auf; ein Antrag von Pro Familia taucht schon gar nicht mehr auf, Nadeschda und Theodora zusammengestrichen auf 2.500€, Anpassung abgelehnt.  „Der Kreis Paderborn hält zusammmen“- Förderantrag gestrichen, KIM – Wohnberatung wäre abgelehnt, wenn KIM den Antrag nicht zurückgezogen hätte.
Der  Kreis steht finanziell nicht schlecht da, nur die Zweckbindung der Gelder geht uns zu einseitig in Richtung GRoß – und Leuchtturmprokekte. 
Der Kreis Paderborn sollte aber auch Vorbild sein im Sozialbereich – siehe Sozialticket, oder im Bereich Tierschutz – siehe Schweinezucht. 
Anliegen, die regelmäßig unberücksichtigt bleiben. 
Also ein Haushalt, dem wir – so in Gänze – nicht zustimmen können. 
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und ihnen allen besinnliche Feiertage und Mut zu neuen Ideen für 2018.